Re-Kommunalisierung des Stromnetzbetriebes birgt Gefahren

Rückkauf „kommunalen Tafelsilbers“ treibt manche Kommune in die Schuldenfalle

Die Mehrzahl der Stromnetz-Konzessionsverträge zwischen vielen Gemeinden in Mecklenburg und Pommern und Energiekonzernen laufen bis 2015/2016 aus. Schon jetzt machen sich viele Kommunen über eigene Versorgungsstrukturen Gedanken. Sie erwägen den Rückkauf von privaten Energiebetrieben, die einst der öffentlichen Hand gehörten. Eine sogenannte „Re-Kommunalisierung“ solcher Versorgungsgesellschaften wird als eine historische Chance betrachtet, um endlich wieder öffentlichen Einfluß auf Strompreise zum Wohle der Bürger zu gewinnen.

Dieselben Politiker, die noch vor wenigen Jahren die Privatisierung hochleben ließen, um so ihre Kommunalfinanzen zu sanieren, verfallen nun beim Thema „Re-Kommunalisierung“ in ein nicht enden wollendes Hurra-Geschrei. Ein derartiges Gebaren zeugt nicht gerade von politischem Verantwortungsbewußtsein oder kommunaler Kompetenz. Doch wie bei der Privatisierung werben umtriebene Lokalpolitker mit dem Versprechen sinkender Gas- und Strompreise, um etwaige Zweifel unter Gemeindeeinwohnern zu zerstreuen.

Erst verhökert – nunmehr teuer zurückgekauft

Nicht umsonst sind neue Verheißungen über sinkende Strompreise stets mit Vorsicht zu genießen. Die WEMAG-Kommunalisierung über einen Kommunalen Anteilseignerverband war auch für Gemeinden des Landes ein Grund zum Jubeln, zumal es diesmal Rückendeckung von der Landespolitik gab. Doch war dieser Jubel verfrüht?

Vattenfall hatte bekanntlich die Westmecklenburgische Energieversorgungs-AG (WEMAG) zu Beginn des Jahres abgestoßen, da es geringe Wachstumschancen in der regionalen Strombranche ausmachte. Für 170 Millionen Euro haben 199 Kommunen aus Mecklenburg und Nordbrandenburg gemeinschaftlich fast 75 Prozent der WEMAG-Anteile vom Vattenfall-Konzern übernommen. Demgegenüber stiegen knapp 70 Kommunen aus dem „Geschäft“ aus.

Und hier der Haken an der Sache…

Nicht Wenige halten den mit der Kommunalisierung der WEMAG-Anteile verbundenen Aktienkauf für eine hochriskante Aktion. Die Rückerlangung der öffentlichen Energieversorgung bedarf eines Höchstmaßes an Finanzmitteln, die nur noch in äußerst seltenen Fällen in den Haushalten der Gemeinden vorhanden sind. Ein Großteil der klammen Kommunen im Land mußte wiederum Kredite für den Aktienkauf aufnehmen, der, mit Zinssatz und Tilgung behaftet, eine jährliche Mehrbelastung für die Kommunalhaushalte bedeuten wird.

Kritiker befürchten deshalb, daß mit der Kommunalisierung der WEMAG der Strom für den Stromverbraucher nicht zwingend billiger wird, denn aus den Erträgen des Unternehmens müßte die Refinanzierung gedeckt werden. Diese halten es auch für realistisch, daß ein Spareffekt für Stromkunden der WEMAG erst nach 20 Jahren eintreten könne – dann nämlich, wenn wiederum die Neuabschlüsse der Stromnetzkonzessionsverträge anstehen.

Hinzu kommt, daß die damals eng bemessene Erwerbsfrist von weniger als einem halben Jahr eher an ein „Durchpeitschen“ denn ein „Abwägen“ erinnert. Bürgermeister und Gemeindevertreter mußten beim Kauf der WEMAG-Aktien unter Druck etwas entscheiden, was sie in der Kürze der Zeit nicht überblicken können. Wenn es gut geht, Glück gehabt. Wenn nicht, zahlt schlußendlich sowieso wieder die Allgemeinheit.

Re-Kommunalisierung muß dem Volke nutzen

Nach einer Studie des Instituts für nachhaltige Unternehmens- und Regionalentwicklung an der Fachhochschule Eberswalde befürworten 84 Prozent der in Mitteldeutschland lebenden Bürger die Ansicht, daß die Gewinne kommunaler Betriebe dem Gemeinwohl und nicht wenigen Privatiers dienen sollen.

Re-Kommunalisierung nutzt nur, wenn die öffentlichen Unternehmen nicht profitorientiert arbeiten, was sich auf dem hart umkämpften Strommarkt und angesichts der Refinanzierung schwierig gestaltet. Richtig re-kommunalisiert wird, wenn die öffentliche Daseinsvorsorge gerade aus der marktwirtschaftlichen Logik herausgenommen wird und sich am Gemeinwohl orientiert. Richtig wäre es auch, wenn für anfallende Wartung-, Erneuerung- und Ausbauarbeiten am Stromnetz regionale Handwerksbetriebe ausgewählt werden würden. Richt wäre es außerdem, wenn die im kommunalisierten Stromnetz entstehenden Durchleitungsentgelte zu günstigeren Verbraucherpreisen führen würden. Es wird sich anhand der WEMAG zeigen, ob die Re-Kommunalisierung des Energieversorgers Fluch oder Segen war.

zurück | drucken Erstellt am Dienstag, 01. Juni 2010