Gigantomanie in der Landwirtschaft

Nach Auskunft der BVVG-„Treuhand“ (Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH) existieren in den neuen Bundesländern derzeit über 1.600 Agrarunternehmen mit über 100 Hektar Flächengröße. Diese befinden sich heute zum über­wiegenden Teil im Privatbesitz ehemaliger Kader der SED oder der DDR-Bauernpartei, die sich bis 1989 als Vorstände der früheren LPG (Landwirtschaftliche Produkti­ons­genossenschaften) betätigten. Mit der Privatisierung der Genossenschaften gingen aus den mehr als 3.800 aufgelösten LPGen von Mecklenburg bis Sachsen ungefähr 2.800 Nachfolgebetriebe hervor. Fast alle werden von den ehemaligen LPG-Chefs geführt. (wir berichteten bereits hier: Rote Junker am Peenestrom und hier:Alte Seilschaften bestehen fort).

Nach Schätzungen des Landbunds hielten die alten/neuen Großagrarier nunmehr ein riesiges Vermögen in ihren Händen, das auf mindestens 20 Milliarden Deutsche Mark geschätzt worden ist. Zudem werden diese Unternehmen Jahr für Jahr mit großzügigen Subventionssummen aus EU-Strukturfonds bedacht. In der deutschen Geschichte gab es noch nie einen derartigen Großgrundbesitz in den Händen weniger.

Tabuisierung des Landraubs im großen Stil

20 Jahre nach der Teilwiedervereinigung wird insbesondere von interessierten Kreisen in Politik und Gesellschaft dieses dunkle Kapitel im landwirtschaftlichen Umstrukturierungsprozeß bewußt ausgeblendet.  Nur ab und an erhält der bundesdeutsche Bürger einen Einblick in die Vorgänge, die nach dem Zusammenbruch der DDR keineswegs die Schieflagen in der heimischen Landwirtschaft behoben.

So berichtete selbst das systemtreue Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL in der 24. Ausgabe des Jahres 1995: „Mit der Wiedervereinigung gingen riesige Ländereien in Bundeseigentum über: die Äcker, Wälder und Wiesen der ehemaligen Großgrundbesitzer. Diese Gutsherren, häufig Junker und andere Landadelige, waren zwischen 1945 und 1949 von den Sowjets enteignet worden, ihre Güter gehören seit dem 3. Oktober 1990 der Bundesrepublik Deutschland. Doch nicht einmal ein Fünftel dieses "Junker-Landes" wurde an "ortsansässige Wiedereinrichter" verpachtet, wie die ehemaligen LPG-Bauern im Behördendeutsch heißen.“

Ex-Stasi-Mitarbeiter in den Landesagrarbehörden
 
Insbesondere in den Pachtkommissionen, beim Verkauf und bei der Verpachtung landeseigener Flächen und bei LPG-Vermögensauseinandersetzungen saßen in den Jahren der LPG-Privatisierungen ehemalige Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit. In Mecklenburg und Vorpommern legte der Landesbeauftragte für Stasi-Unterlagen letztmalig im Jahresbericht von 2003 die Mitwirkung ehemaliger Stasis in Landesbehörden offen (siehe hier: Drs. 4/1546). Das Dokument weist als letzte verfügbare Statistik aus, daß im gesamten Geschäftsbereich des ehemaligen Ministeriums für Landwirtschaft, Forsten und Fischen wegen einer Stasitätigkeit 72 Kündigungen ausgesprochen und 94 Auflösungsverträge geschlossen worden sind.
 
In 203 Fällen gab es Anhaltspunkte für Stasi-Kontakte, die jedoch als nicht so „schwerwiegend“ eingestuft wurden, daß sie dienstrechtliche Konsequenzen nach sich zogen. Datenmaterial mit einer Gruppierung nach Ausmaß und Intensität der jeweiligen Stasi-Kontakte existiert nicht. Es ist daher für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar, ob die geduldeten (oder geschützten) Landesbediensteten hauptamtlich bzw. inoffiziell für das DDR-Ministerium für Staatssicherheit tätig waren oder angeworben wurden und keine  Berichterstattungsarbeit für den Spitzelapparat ablieferten.
 
Bauernland in Bauernhand!
 
Des öfteren thematisierte die nationale Opposition im Land das Schwinden kultureller Identität in ländlichen Regionen unserer Heimat, welches letztendlich zur allgemeinen Kulturlosigkeit ganzer Landstriche führen muß. Nur die Identifikation mit ländlicher Kultur hält dörfliche Gemeinschaften zusammen. Gerade im ländlichen Raum muß daher die landwirtschaftliche Entwicklung von der Verantwortung des Einzelnen für die Gemeinschaft geprägt sein. Mit der Etablierung und Förderung der Gigantomanie im Agrarsektor beeinflussen wenige die Zukunft vieler Mecklenburger und Pommern, die in der Fläche leben.
 
Nachweislich führt das System der Ex-LPG-Oligarchen weder zu Mehrbeschäftigung noch zu sozialen Bindungen an die Dorfgemeinschaft. Betriebe mit mehr als 3.000 Hektar Produktionsfläche sind nicht nur volkswirtschaftlich kontraproduktiv, weil sie genau so viele Personen wie mittelgroße Agrarunternehmen mit bis zu 1.000 Hektar beschäftigen. Auch verhindern Agrarfabriken und Großlandwirte eine Etablierung kleiner und mittelständischer Landwirtschaftsbetriebe, die letztendlich mehr Arbeitsplätze schaffen würden. Deshalb setzt sich die NPD für die Förderung der kleinteiligen Landwirtschaft ein und prangert den ruinösen Konkurrenzdruck, erzeugt durch die Agrarfürsten, an, der auf Kleinbauern lastet.
zurück | drucken Erstellt am Donnerstag, 20. Mai 2010