Ist die Globalisierung unumkehrbar?

Wehren wir uns mit der Erhaltung unserer Identität!

»Es hat keinen Sinn, die Globalisierung durch einen Frontalangriff anzugehen; denn sie ist Teil unseres Geschehens.«

Der französische Philosoph Alain de Benoist faßt mit diesem Satz zusammen, was jeder sieht und spürt – aber vielleicht nicht akzeptieren möchte. Benoists Analyse des Phänomens der Globalisierung und seine Vorschläge, wie jeder von uns der Globalisierung doch etwas entgegensetzen kann, stellen wir nachfolgend zur Diskussion.

Zunächst unternimmt Alain de Benoist den Versuch einer zeitlichen Festlegung des Beginns der Globalisierung heutiger Prägung und ihrer Ursachen und Inhalte.

Aufhebung von Raum und Zeit durch den Mauerfall

Zeitlich verortet Benoist den Beginn der heutigen Globalisierung auf den Fall der Berliner Mauer 1989 und den darauf folgenden Untergang der Sowjetunion. Der Gegensatz zwischen Kommunismus und der sogenannten freien Welt wurde dadurch aufgehoben. Die Grenzen von »drinnen« und »draußen« wurden damit aufgehoben. Der Weg für das westliche System wurde frei.

Erst seitdem sei es möglich, weltweit über alle Staatsgrenzen hinweg Waren, Kapital und auch Menschen nach Belieben zu verschieben.

Damit einher sei die Elektronisierung unseres Lebens gegangen. Diese habe die Abschaffung von Zeit und Raum bewirkt. Was immer auch geschehe, sei nicht mehr an Orte oder zeitliche Verzögerungen gebunden. Der 11.9.2001, die Finanzkrise, aber auch einfache Ereignisse, wie die Fußballweltmeisterschaft 2006 würden weltweit und sofort ihre Auswirkungen nach sich ziehen. Territorien spielen hierbei keine Rolle mehr.

»Die Macht der Globalisierung ist daher durch nichts mehr begrenzt.«

Ohnmacht und Bedeutungslosigkeit des Nationalstaats

Mit dieser Aufhebung von Raum und Zeit verlieren auch die Nationalstaaten in der Globalisierung an Bedeutung. Sie hätten ihre Zentralität und Legitimation eingebüßt.

Der Verlust der Zentralität sei dadurch gekennzeichnet, daß die heutigen Nationalstaaten immer weniger Handlungsspielraum hätten. Sie seien einerseits zu klein, um den globalen Problemen zu trotzen. Sie seien andererseits zu groß, um noch die Alltagsprobleme des einfachen Bürgers zu bewältigen.

Einfachstes Beispiel sei die Standortproblematik: Wird ein Staat als Wirtschaftsstandort zu teuer, wandert das globalisierte Kapital einfach ab. Was solle der Staat dagegen schon machen?

Der Verlust der Legitimation zeige sich dadurch, daß nichts mehr eine Bindung zwischen Staat und Bürger erzeuge. Parteien, Polizei, einfach nichts mehr, was mit hoheitlicher Gewalt zu tun habe, auf Akzeptanz oder Respekt stoße. Dies sei eine Legitimationskrise der Nationalstaaten.

Die Richtigkeit dieser Beobachtung werde durch die Zugkraft neuer sozialer Bewegungen und durch die zunehmende Politikverdrossenheit bestätigt.

Geistiges Wesen der Globalisierung

Was ist der Geist der Globalisierung? Dies sei laut Benoist der Vorrang des Kommerzes vor allen geistigen Werten.

Der Mensch definiere sich selbst nur noch als Wirtschaftsobjekt, das produziert und konsumiert. Es zähle nur noch Kreditwürdigkeit, Zahlungsfähigkeit und Nachfrage.

Die Globalisierung erstrebe die gewaltsame Vernichtung der Identitäten der Völker im Namen einer Ideologie der Gleichheit.

Die sichtbaren Auswirkungen seien die weltweite Verfügbarkeit gleicher Produkte, die Errichtung gleicher Geschäfte und sogar die Homogenität des weltweiten Städtebaus.

Dynamik und Mächte der Globalisierung

Die Globalisierungsideologie der Gleichheit sei weltweit in den Köpfen der Menschen verankert. Die Möglichkeit eines Ausbruchs aus diesem Denkschema werde weitestgehend unterdrückt.

»Die Technologie und das Wirtschaftsmodell des Westens werden uns als unausweichliches Schicksal präsentiert«, meint Alain de Benoist. Untermauert werde dies durch die Propaganda der Massenmedien, und auch die Politik rede uns die Richtigkeit dieser Lebensweise fortwährend ein.

Gesichert werde der Bestand der Globalisierung durch den allen Ortens sichtbaren Ausbau des Überwachungsstaates. Bedenklich sei in diesem Zusammenhang auch die Verwischung der Grenzen zwischen Polizei und Armee: Die Polizei werde militarisiert, während die Armee zunehmend »internationale Polizeieinsätze« durchführe.

Triebkraft dieser Entwicklung seien die USA. Alain de Benoist betont jedoch, daß die USA aber nicht die Ursache, sondern eben nur Triebkraft der Globalisierung seien. »Die USA sind selbst nur ein untergeordneter Faktor der Globalisierung«, meint er.

Die Globalisierung sei, so formuliert Benoist ganz als Philosoph, »das Problem in sich selbst.«

Die Globalisierung sei vielmehr ein Problem von Netzwerken. »Die globalisierte Welt ist eine vernetzte Welt!« Wie bereits erläutert, spiele die geographische Verortung keine Rolle mehr. In der Globalisierung gäbe es somit auch kein Zentrum mehr. Krisen und Terrorismus, Kartelle und Verbrechen – sie seien überall zugleich.

Diese Netzwerke haben laut Alain de Benoist keine Drahtzieher und keine Organisation. Eine streitbare These, aber so sieht er es.

Ist die Globalisierung umkehrbar?

Die Geschichte sei ein offener Prozeß. Ob die Globalisierung überhaupt umkehrbar sei, könne niemand sagen. Tatsache sei laut Benoist jedoch: »Die Globalisierung wird noch auf Jahrzehnte unser Leben bestimmen.«

Benoist läßt uns mit seiner Analyse dennoch nicht in Hilflosigkeit und Verzweiflung zurück. Ganz im Gegenteil!

Er fordert ein Ende des Gejammers, das sich auf ein Gefecht konzentriere, das wir nicht gewinnen können.

Es sei jetzt ein Bewußtsein nötig, welches das heute und morgen Machbare ins Auge fasse, damit man die Schlachten der Zukunft siegreich gegen die Globalisierung führen könne. Einen Denkfehler sieht Benoist in der Rückkehr zu Abschottung und Bunkermentalität.

Mit Identität gegen die Globalisierung

Wie weiter oben gezeigt, geht Benoist von einem relativen Ende der Nationalstaaten aus. Sie können uns derzeit nicht mehr effizient schützen. Ein Ende dieser Entwicklung sei auf Jahrzehnte nicht in Sicht.

Der identitätszerstörenden Globalisierung stellt Benoist daher die Behauptung der eigenen Identität entgegen. »Globalisierung bedeutet das Ende der Nationalstaaten, nicht aber das Ende der Identitäten.«

Die Frage der eigenen Identität dürfe aber kein »Slogan« sein. Was es heißt, Deutscher oder Franzose zu sein, müsse vielmehr auf Grundlage unserer Quellen definiert werden. Die Identität ziehe ihren Charakter z.B. aus Traditionen, die heute aber immer weniger gelebt würden. Unter anderem aus diesen Quellen müsse der europäische Mensch wieder schöpfen. Er dürfe dabei aber nicht nur in die Vergangenheit schauen; denn: »Die geschichtliche Erzählung über das eigene Selbst schreibt sich in jedem Augenblick fort.«

Diesen Anspruch auf die eigene Identität müssen wir laut Benoist der Globalisierung entgegensetzen. Es sei der Kampf für die Vielfalt der Völker als Reichtum der Menschheit, welcher den Gegenpol zur Gleichmacherei der Globalisierung darstelle.

Hierzu müßten sich autonome Gruppen auf lokaler Ebene bilden, die auf der Grundlage gleicher Wertvorstellungen eine Zugehörigkeit bilden und sich mit anderen gleichgesinnten Gruppen weltweit vernetzen. »Dem ganz Großen muß das ganz Kleine entgegengesetzt werden«, so Benoist. Durch die Bildung von Netzwerken würde man die Globalisierung mit den Mitteln bekämpfen, die sie selber nutze.

Um dieses Ziel zu erreichen, müsse unser ganzes Bewußtsein sich aber darauf einstellen und unsere ganze Lebensweise sich ändern. Es sei z.B. ein völlig verfehlter Denkansatz, ständig darüber zu klagen, daß andere Völker mehr Kinder bekommen, als wir selbst.

Wir müssen uns fragen: »Warum bekommen wir denn nicht mehr Kinder?« Weil den Völkern Europas das eigene Auto wichtiger sei als ihre Kinder.

Hier müsse die Neuausrichtung unseres Denkens beginnen. Hier würden die Grundlagen geschaffen für identitätsbewußte Kräfte, die der Globalisierung trotzen.

Am Ende stehe Vielfalt statt Gleichheit, die Niederlage des Kapitals und damit das Ende der Ausbeutung der Erde und ihrer Völker.


Quelle: UN 6/2009
zurück | drucken Erstellt am Mittwoch, 15. Juli 2009