Wem gehört die Werft?

Tausende Menschen stehen dichtgedrängt auf dem historischen Marktplatz der Hansestadt Wismar. Ich bin mittendrin. Ich sehe in verzweifelte, traurige aber auch zornige Gesichter. Eine ganze Stadt hat sich hier versammelt, um ihre Werft nach 63 Jahren zu Grabe zu tragen. Ich selbst kann es noch gar nicht fassen. 10 Jahre war ich Schiffbauer auf dieser Werft. Das ist nicht unbedingt lange, aber für mich doch die bisher wichtigste Zeit meines Lebens gewesen.

Die Betriebsratschefin steht vor dem Rathaus und redet uns Mut zu - wir sollen den Kampf nicht aufgeben. Buh-Rufe und Pfeifkonzerte übertönen das allgemeine Gemurmel. Die Ursache dieser Unmutsbekundungen ist irgend so ein grauer Politiker aus dem Landtag, welcher sich gerade zum Mikrofon begibt.

Ich weiß, dass unsere Werft den Besitzer andauernd wechselt und Banken innerhalb des letzten Jahres 250 Millionen Euro an Krediten für die Werften in Rostock und Wismar vergaben. Aber wo kommt das Geld her? Und wer zahlt diese Summen jemals wieder zurück? Was ist mit den Zulieferer die doch auch alle noch auf 90 Millionen Euro warten? Und warum fehlt plötzlich so viel Geld? Wahrscheinlich sind wir Arbeiter schuld an der Pleite, wir die jeden Morgen punkt 6 Uhr an die Arbeit gehen, Überstunden machen und wenn Not am Mann ist auch oft genug Sonnabends unsere Leistung bringen.

Nein, die da oben haben die Karre in den Dreck gefahren, so wie sie immer alles zum Einsturz bringen. CD-Werk, Holzwerk, Karstadt und jetzt auch noch die modernste Schiffbauhalle der Welt. Und die hochqualifizierten Werftarbeiter mit ihren Familien stehen hier auf dem Markt und sind wütend.

Von „hoffen und abwarten“ ist die Rede, wir sollen „den Mut nicht verlieren“. Mir reichts, ich habe mir hier nicht ein Leben aufgebaut um jetzt alles der guten Fügung zu überlassen, um auf neue, fremde Investoren zu warten und dem Spiel mit der Werft am Rande des Abgrunds immer weiter zu zusehen. Wismar ist nicht nur ein Wirtschaftsstandort, sondern meine Heimatstadt! Ich will hier nicht weg! Hier gehöre ich hin, ich bin Teil des Ganzen, der Gemeinschaft und kein Sklave, den man für Geld weit fort schicken kann. Wir wollen hier leben und arbeiten, eine Familie gründen und alt werden.

Wir brauchen keine fremden Investoren, sondern eine Politik die endlich wieder Verantwortung übernimmt, und nicht nur vorgibt unsere Interessen zu vertreten sondern auch wirklich dafür einsteht! Wir leben für die Werft und wir leben von der Werft!
zurück | drucken Erstellt am Montag, 21. September 2009