Scheinbar späte Erkenntnis der Gewerkschaften zur Hungerarbeit

Öffentliche Stigmatisierung von Lohndrückern nun seitens sogenannter „Arbeitnehmervertreter“  gefordert

Wie der Regionalpresse der letzten Tage entnommen werden kann, rechnen sich die Gewerkschaften dieses Staates im Vorfeld der Bundestagswahlen anscheinend aus, mit Forderungen zu einem „Lohn-Dumping-Schwarzbuch“ den Druck auf die Herrschenden erhöhen zu können. Gleichzeitig erhoffen sich damit wohl nicht wenige Gewerkschaftsfunktionäre, ihre bröckelnde Daseinsberechtigung zu zementieren.

Gerade die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und die Gastronomie-Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) versuchen hierbei hierzulande, die Arbeitnehmer mit Phrasendrescherei zu emotionalisieren. So stellte der stellvertretende Bezirksleiter der Gewerkschaft ver.di Detlev Follak in der Tagespresse zwar richtig fest, daß „die Situation in  MV mit einer hohen Arbeitslosigkeit von Arbeitgebern 'schonungslos ausgenutzt werde'“ (SVZ vom 24.08.`09), erklärt aber nicht, weshalb zwanzig Jahre lang dieser Mißstand nicht thematisiert worden ist und rechtzeitig gegengesteuert wurde.

53.000 Arbeitnehmer in Mecklenburg und Pommern, rund ein Zehntel der heimischen Arbeiterschaft, müssen neben ihrer beruflichen, sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit Stütze vom Staat beziehen. Insgesamt waren laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 2006 hierzulande 43 Prozent aller Anstellungen zeitlich begrenzt. Das ist bester Nährboden für die Verheißungen aus den Gewerkschafts-Büros.

„Ick bin allwedder hier“

Wie im Fabelmärchen der Gebrüder Grimm „Vom Hasen und vom Igel“, hetzt der Gewerkschafts-Funktionär rechtschaffene Arbeiter von einer Mindestlohn-Forderung zur nächsten. Zu spät zur sozialen Absicherung und zum eigenem sozialen Frieden kommt immer der Arbeitnehmer, während die Gewerkschaften schon mit einer neuen Verlockung am vermeintlichen „Ziel“ warten.

Tarifverträge, die für einen gewissen Zeitraum abgeschlossen werden, um dann die Belegschaften wieder in die Verhandlungsgeschicke der „Arbeitnehmervertreter“ zu führen, werden von neuen Tarifverträgen abgelöst. Ein ewiger Zyklus – bei dem die goldenen Gewerkschaften die eigentlichen Sieger sind. Der tariflich festgesetzte Mindestlohn in Mecklenburg-Vorpommern, der von Gewerkschaftsseite als Niedriglohn - zu Recht - bezeichnet und als „skandalös“ empfunden wird, wurde damals auch von ver.di mit getragen. Deshalb ist der Aufruf dieser „Arbeitnehmervertretung“, unsoziale „Dumping“-Löhne über eine Telefonnummer oder einer Netzseite zu melden, pure Heuchelei.

Ähnlich wie bei der Partei DieLINKE gäbe es die Gewerkschaften erst gar nicht, wenn der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer als Betriebsgemeinschaft in einem Boot säßen. Doch wie wirklich wichtig es den Nutznießern von Armut und Elend mit ihrer Klientel war, beweisen die reißerischen Ankündigungen zur sozialen Besserung und die darauffolgende Tatenlosigkeit. Man darf daher auf das tatsächliche Erscheinen eines Schwarzbuches für Lohndrücker nach der Bundestagswahl gespannt sein.

Arbeitgeber gegen Arbeitnehmer statt den Raubtier-Kapitalismus abzuwracken

Späte Erkenntnis? Wohl kaum! Denn in zwanzig Jahren ist es den Gewerkschaften nicht einmal ansatzweise in den Sinn gekommen, gegenüber dem System der Turbo- Globalisierung und der plutokratischen Selbstherrlichkeit gekaufter Altpolitiker auf kritische Distanz zu gehen. Allgemein doktert man an Krankheiten herum, indem man politische Entscheidungen wie beispielsweise die Arbeitsmarktöffnung nach Osten oder die EU-Fremdbestimmung mit all ihre volkswirtschaftsschädigenden EG-Richtlinien wachsweich begrüßt oder bedauert. Jetzt stürzen sie sich auf die wenigen nischenhaften Spielräume, die ihnen EG-Richtlinien noch lassen, und spielen dann „große Politik“ mit der Forderung eines Schwarzbuches für Lohndrücker.

Dabei erleichtert doch erst die Gesetze des EU-Marktes die Heranschaffung von Arbeitskräften aus allen Herren Ländern als günstige Rahmenbedingung für Lohndrückerei. Und mehr noch: Es schafft entwurzelte Arbeitsnomaden und degradiert Menschen zu verschiebbarem Humankapital. Aber von einer Kehrtwende bei den Internationalisten weg und raus aus dem europäischen Unionskonstrukt fehlt jede Spur. Sonst würden nämlich die Ausgebeuteten, deren Protest doch gebraucht wird und dank ihnen doch jedem Gewerkschafts-Boss ein sattes Gehalt je Monatsende winkt, einfach davon laufen…
zurück | drucken Erstellt am Dienstag, 25. August 2009