Der Todfeind der Völker

Industrie- und Handelskammer Rostock Seit an Seit mit Brüssel

Normalerweise gliche es einer Ungereimtheit, den Mitarbeiter einer bundesdeutschen Industrie- und Handelskammer mit dem französischen Staatsmann Georges Clemenceau (1841 bis 1929) auf eine Stufe zu stellen. Warum nun doch? Weil beiden die Geisteshaltung des Liberalismus gemein ist. Über ihn bemerkte der scharfsinnige Schriftsteller Moeller van den Bruck Anfang der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts: "Immer schleppt der Liberalismus den liberalen Toren mit sich, der wohl Ernst mit den liberalen Ideen machen möchte, der aber, wenn er mit ihnen nicht durchdringt, sich damit begnügt, daß wenigstens ein Schein gewahrt wird. Aber immer kommt für den Liberalismus auch der Augenblick, in dem der liberale Mensch aus sich heraustritt und mit Kälte, mit Zugriff und einer Bedenkenlosigkeit, die nunmehr am vorteilhaftesten erscheint, seine Absichten zu erreichen sucht", schrieb er vor dem Hintergrund des Versailler Diktats von 1919.
"Versailles" vollzieht sich heute mehr oder weniger schleichend, zumindest nicht nach der Dampfhammer-Methode, wie sie Roosevelts Einflüsterer Hooton, Nizer oder Kaufman (direkte Vernichtung der Deutschen) empfahlen.

Unter dem blumigen Motto: "2006 – Europäisches Jahr der Mobilität der Arbeitnehmer" machte auch WIR – Zeitschrift der IHK zu Rostock (12/2006) mobil: "… Durch den Umzug in ein anderes Land können Arbeitnehmer neue Fähigkeiten und Erfahrungen erwerben, um ihre Beschäftigungsaussichten zu verbessern. Angesichts der Tatsache, daß die Europäische Union mit einer Mischung aus Qualifikationsdefiziten, Engpässen und Arbeitslosigkeit konfrontiert ist, gewinnt die Fähigkeit der Arbeitnehmer, sich auf neue Nachfragen einzustellen, zunehmend an Bedeutung", heißt es mit einer Mischung aus Schleimigkeit und Kalkül. "Die Quote der geographischen und beruflichen Mobilität in der EU ist nach wie vor niedrig, was mit "Übergangsregelungen gegenüber den neuen Mitgliedsstaaten, Tradition, Sprache, Qualifikation, Mut usw." im Zusammenhang stehe. "Doch die Experten sind sich einig, nun kommt Dynamik hinein", was auch auf Mecklenburg-Vorpommern zutreffe. "Unabhängig von der seit Jahren anhaltenden Abwanderungsbewegung in die alten Bundesländer versuchen immer mehr Arbeitnehmer, sich eine neue Existenz im Ausland aufzubauen. Favoriten sind zur Zeit die skandinavischen Länder. Parallel dazu vergeht kaum ein Tag, an dem nicht Medien darüber berichten, daß die Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern händeringend Fachkräfte benötigen. Das Feld der Branchen erweitert sich ständig. Ausländische Fachkräfte sind mehr und mehr willkommen" (Anfragen an Dr. Willi Deiß unter 03 81 – 33 82 60 oder deiss@rostock.ihk.de).

Hinter der gut gelernten Liberalismus-Lektion verbergen sich neoliberale Schlagworte wie "Freizügigkeit" oder "Niederlassungsfreiheit". Die NPD fordert faktisch seit ihrer Gründung den Austritt Deutschlands aus der EU (EWG) als einer liberal-kapitalistischen, rein materialistisch determinierten Gemeinschaft. "Demokratiepolitisch steht sie (die EU, DS-Red.) auf der Ebene des frühen 19. Jahrhunderts. Wirtschaftlich verfolgt sie das Ziel einer möglichst ungezügelten Marktwirtschaft. Alles, was die EU ausmacht, ist von diesem Geist getragen", heißt es im Europa-Programm der volkstreuen Partei. "Durch die sogenannte Freizügigkeit, also die beliebige Verschiebung der Arbeitskräfte nach den Interessen der Konzerne werden innereuropäische Wanderungsbewegungen ausgelöst, deren Fortdauern die europäischen Völker, deren Kultur, Sprache und Identität in ihrer Substanz bedrohen kann." Hinzu kommt, daß sich die "Freizügigkeit" auch auf "Drittstaaten", zumeist ehemalige Kolonien, erstreckt, wodurch sich Zuwanderungsmöglichkeiten auch auf ferne Kulturkreise erstrecken. Naheliegend wäre zudem, angesichts eines absehbaren Fachkräftemangels (um 2009/2010) deutsche Jugendliche gezielt (und entsprechend prämiert!) umzuschulen. Der Liberalismus hingegen geht stets den Weg des geringsten Widerstandes; er ist, um bei Moeller zu bleiben, "der Todfeind der Völker".

Lutz Dessau
Kontakt: redaktion@ds-verlag.de

zurück | drucken Erstellt am Samstag, 06. Januar 2007