Nachlese: 61. Befreiung in Bad Doberan

Wie jedes Jahr gab der ACHTE MAI zahlreichen Menschen wieder Gelegenheit, sich der Ereignisse vor 61 Jahren zu erinnern. In der Kreisstadt Bad Doberan versammelten sich ca. 30 Anhänger der Linkspartei vor dem "LOCH IN DER MAUER" - es verdankt seinen Spitznamen seiner eigentümlichen Gestalt - um der BEFREIUNG VOM FASCHISMUS zu gedenken. -

Um eine Behinderung ihrer "Andacht" zu vermeiden, hatten die Verantwortlichen die Kundgebung mit Ordnern gesichert. Die Organisatoren hatten offenbar aus der „Störung“ der 60. Befreiungsgedenkens lernen wollen, denn junge Kameraden hatten sich seinerzeit als Andersdenkende offenbart. In diesem Jahr stellten sie sich mit einem Transparent neben die Versammelten, auf dem zu lesen war: "Die Mörder von Gestern sind die Lügner von heute!" Mit heftigen Rangeleien wurden die Jugendlichen von den Befreiungs-Senioren, die diesen Spruch wohl als Provokation empfanden, schließlich abgedrängt. Ein entlarvendes Mißverständnis! Denn wer als „Mörder“ und "Gegenwartsleugner" anzusehen sein, stand nicht auf der Fläche des besagten Tuches, sondern in den Köpfen der Empörten: Bei genauer Betrachtung ihrer nach Außen gekehrten Unschuld hätten sie die jungen Leute mit Freuden in ihre Mitte aufnehmen müssen und - wie seit 61 Jahren - gebetsmühlenartig zu verkünden: "Die (faschistischen) Mörder sind die (rechten) Leugner von heute ..."

In einer Rede, die wir hier nicht in Einzelheiten wiedergeben wollen, wurde der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht als Befreiung vom EINZIGARTIG BÖSEN gehuldigt. Die Fest-Rednerin trug die seit 61 Jahren von KOMMUNISTEN, EINHEITSSOZIALISTEN und LINKSPARTEI-"Demokraten" verfochtene These vor, daß die militärische Niederlage des Nationalsozialismus ein Glück nicht nur für die Welt, sondern auch für Deutschland gewesen sei. Die Vernichtung der Deutschen Wehrmacht, der Sieg über das Dritte Reich durch die "ruhmreiche Sowjetarmee" und ihre später verhaßten Alliierten sei eine Befreiung von Krieg, Menschenverachtung, Ausbeutung und Völkerunterjochung gewesen und die Basis für den ersten sozialistischen Staat auf Deutschem Boden. -

Kaum hatte die Rednerin ihre Lobeshymne auf das historische Ereignis verklingen lassen und sich den ihrigen zugewandt - da erhob ein pastellfarben gekleideter Bürger, der am Rande der Veranstaltung beigewohnt hatte, das Wort und verkündete mit lauter Stimme: "Ohne die Wende wäre ich in ein SED-DDR-KZ gesperrt worden. - Für mich ist der 7. Mai 1989 der Tag der Befreiung!"

Entsetzte Blicke unter den Befreiungs-Gläubigen - hastig stürmt ein EX-SED-KREISLEITUNGSMITGLIED auf den Mann zu, als wolle er ihn in Gewahrsam nehmen und später dem STASI übergeben. Ein beherzter anderer Teilnehmer wehrt jedoch dieses Ansinnen mit den Worten ab: "Lassen Sie doch den Bürger reden ..." - so als handele es sich um einen nicht ganz ernst zunehmenden Psychopathen, den irgend ein Verfolgungs-Leiden mit der verflossenen DDR verbände, von dem er noch nicht ganz "befreit" sei. Ein anderer entgegnet: "Was reden sie da nur so laut, sie liefern denen da oben" - sein Blick wandert für den Bruchteil einer Sekunde zu den NATIONALISTEN - "auch noch Argumente, mit denen sie die Jugendlichen überzeugen." Die meisten Granden - unter ihnen Ernst Janel, der frühere ERSTE SEKRETÄR der SED-Kreisleitung Bad Doberan, und sein Stellvertreter Günther Ückert, die heute gut dotierte Renten vom Staat ihres nur halb, nur politisch "befreiten" Klassenfeindes dankbar in Empfang nehmen, wenden sich zum Gehen. Haben Sie in ihrem Leben dramatischeres erduldet, als dieses "Provokatiönchen"? Oder sind sie nur noch geistig erstarrte Automaten, die reflexartig am 8. Mai zu einem Befreiungs-Denkmal trotten? Trottel der Geschichte? Wer den Haudegen Janel noch in der DDR-Zeit erlebte, wird sich die Augen reiben! Damals überließ dieser absolute Fürst in seiner Herrschaft nichts dem Zufall. Seine Strenge provozierte die Meuterei - um sie im Keime zu ersticken. Wehe dem Provokanten, der diesem Hecht zu nahe kam! Hat er sich über die Jahre in einen stumpfsinnigen Karpfen verwandelt? Doch nicht alle sind seit der Wende müde geworden. So entspinnt sich bald mit dem ungläubigen Bürger eine lebhafte Diskussion – ob denn der 8. Mai ein Tag der Befreiung gewesen sei ... "An die Stelle von Hitler trat Stalin - man kann nicht von Befreiung sprechen, wenn man hinterher unfrei ist! Das war keine Befreiung!", behauptet er. - "Wir distanzieren uns ja vom Stalinismus! Aber die sozialistische DDR war die einzige Alternative zum Faschismus - und eine gute Sache!" - "Wie können sie ein Geschöpf loben, wenn der Schöpfer ein Tyrann war? Ulbricht und seine Truppe waren doch nur der verlängerte Arm des Sowjet-Sozialismus. Wie lautete die Parole? >>Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen.<< Lernen, wie Tyrannen siegen? Lesen sie doch mal, was der Kommunist Wolfgang Leonhardt über diese Zeit in >>Die Revolution entläßt ihre Kinder<< schreibt ..." - "Das kennen wir doch auch! Denken Sie, wir sind geistig stehen geblieben? Wir sind eben von einer Unmündigkeit in eine andere geschlittert, aber wir haben das Beste daraus zu machen versucht." - Der Mann läßt nicht locker: "Diese DDR war kein freier Staat! Weder nach außen - von Stalin mitgegründet und von der Gnade seiner Nachfolger abhängig - und noch nach innen - hier auf die Unterdrückung der eigenen Bevölkerung gerichtet ..." - "Wie meinen Sie das?", will ein Mitdiskutant wissen. - "Ist es nicht entlarvend, daß die Wachposten des antifaschistischen Schutzwalls, die Selbstschußgeräte an der Grenze zum Westen nur in eine Richtung zielten: auf die eigene Bevölkerung? Wenn die Bürger unfrei waren - konnte der 8. Mai keine Befreiung sein!" - "Ach - und jetzt fühlen sie sich in diesem System frei?" entgegnet eine rüstige PDS-Ruheständlerin mit einem versteckten Seitenhieb auf die herrschende Gegenwart. - "Die Linkspartei.PDS sitzt doch hier in der Landes-Regierung - sie herrscht in diesem System mit: also müßten SIE sich doch frei fühlen. Und das obwohl der Real-Sozialsmus gescheitert ist ..." - "Die gesellschaftliche Realität war noch nicht reif, die sozialistische Praxis unvollkommen - doch die marxistische Theorie war und bleibt richtig!" - "Nein sie ist falsch, weil sie als Wissenschaft auftretend Gesetze behauptete, die notwendige Entwicklungen aufzeigen. Sie behauptete: es gibt keine Alternative zwischen Kapitalismus und Kommunismus." - "Den Real-Sozialismus hat es gegeben!" ruft ein Mann dazwischen, der als promovierter Historiker bekannt ist. - "Genau das beweist die Falschheit der Theorie! - Denn der Realität im >>Ostenblock<< war kein Kapitalismus: sonst könnten Sie nicht behaupten, es habe Sozialismus gegeben - und Sie müßten zugeben, daß die soziale Befreiung nach dem 8. Mai mit Bodenreform und Enteignung von >>Kriegsverbrechern<< ein Märchen war. Der >>Real-Sozialismus<< war aber auch kein Sozialismus, in dem die Arbeiterklasse eine Diktatur errichtet hatte, um ein für ein allemal die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zu beseitigen! Er war ein Drittes: Die Herrschaft von eigentumslosen Partei-Funktionären über ihre Völker - etwas was die marxistische Theorie nie vorhergesehen - und sich damit als Utopie entlarvt hatte!" -

Damit endete die Disposition, denn der Bürger wandte sich den jungen Kameraden zu, die das Gedenkfeld nun ebenfalls verließen ... -
Wird die Doberaner Befreiungs-Debatte im kommenden Jahr eine Fortsetzung erfahren?

Ende der Befreiung?

Wir meinen: genau genommen muß von drei Befreiungs-Auffassungen gesprochen werden:

1. die liberale Befreiung - in ihr galt als befreit, was auf eine Vernichtung des politischen Systems des Nationalsozialismus hinauslief und an dessen Stelle eine formale „repräsentative Demokratie“ setzte - die nichts anderes war, als eine in der Tendenz verlotternde Oligarchie. Idealfall hierfür sind die Bundesrepublik Deutschland, jedoch auch die Bundesrepublik Österreich nach dem Staatsvertrag von 1955.

2. die radikale Befreiung - in der der Befreiungsakt auf die vollständige Zerstörung der ökonomischen Basis und ihrer sie tragenden Subjekte ("Unternehmer") hinauslief. Nationalsozialismus wurde von den "kommunistischen Befreiern" als politische Herrschaft der aggressivsten Teile des monopolistischen Finanzkapitals definiert. Diese Herrschaft konnte - konsequent gedacht - nur dann dauerhaft gebrochen werden, wenn deren Basis beseitigt würde. Schauplatz dieser "Befreiung" war die Sowjetische Besatzungszone Kleindeutschlands und spätere DDR. "Frei" und "Befreit" waren hier nur die Kräfte der Besatzer und ihre in der ZONE installierten Statthalter. neuen Tyrannei. Sie konnten sich - wenn auch nur nach innen - ungehemmt entfalten; setzten ihre Inhumanität unter dem Deckmantel einer Theorie um, deren alleiniges Auslegungs-Monopol in ihren Köpfen lag. Diese radikale war eine Befreiung der wenigen, eine Freiheit für die Tyrannei der Sieger im Gebiet der Nichtvertriebenen.
3. die totale Befreiung - in deren Ablauf die Ausrottung der Ur-Bevölkerung durch Vernichtung und Vertreibung erfolgte. In diesen total-befreiten Zonen definierten die Sieger „Befreiung“ als das völlige Eliminieren ALLER zu einem Volk gehörigen Glieder (einschließlich der Kommunisten!). Dieser völkische Charakter (horizontale Sozialstruktur) des historischen Ereignisse nach dem 8. Mai 1945 war das genaue Gegenteil des Selbstanspruchs des Sowjet-Staates, der stets den Klassencharakter (die vertikale Sozialstruktur) der nicht-sozialistischen Staaten als Ursache des Krieges behauptete. So vollbrachte er die Taten, deren er seiner Gegner bezichtigte. Hier von Ex-Ost-Deutschland zu sprechen (Ostpreußen, Hinterpommern, Neumark, Schlesien, Ostsachsen, Sudentengebiete) griffe zu kurz; Deutsche, Polen, Ungarn, Rumänen, Krimtataren, Finnen, Balten, Ukrainer ... sie alle wurden Opfer der Befreier, die mit ihrem Sieg den vermeintlichen Geist der Befreiten aufnahmen und diese wie Untermenschen behandelten. Verächtlich schauten viele Sowjet-Genossen auf die "befreiten" künftigen Vasallen.

Kommunist Wolfgang Leonhardt, Auserlesener in der Gruppe Ulbricht und damit Kronzeuge dieser Tage, schildert eine Fahrt mit einem russischen Verbindungsoffizier, die der Reorganisation des Lebens dienen soll, kurz nach dem Zusammenbruch im noch vollständig von sowjetischen Streitkräften besetzten Berlin: "Ha! Da sind sie - unsere Feinde!" ruft der hochrangige Russe. "Wer?" fragt Leonhardt entgeistert. "Die Faschisten?" - "Nein!" entgegnet der Offizier. "Die sowjetischen Reparationskommandos!"

Befreiung findet dort ihre Vollendung, wo sie in Selbstbefreiung mündet. Der Aufbruch aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit aber - dieser Aufbruch zur Selbstbefreiung steht noch aus!
zurück | drucken Erstellt am Mittwoch, 21. Juni 2006