Guidos Rahmenbedingungen - Bericht vom FDP-Parteitag in Rostock

Frank Breuner, Journalist beim Norddeutschen Rundfunk (NDR), bemerkte gegenüber FDP-Frontmann Guido Westerwelle am Rande des FDP-Parteitages, nichts von Lösungsmöglichkeiten für den Abbau von Massenarbeitslosigkeit und Abwanderung gehört zu haben. "Doch, die haben Sie gehört", entgegnete Westerwelle, der vermutlich zur Zeit begabteste Rhetoriker im Berliner Kartell. "Wenn sich Wirtschaft entwickeln soll, bedarf es entsprechender Rahmenbedingungen gerade für den Mittelstand und Freiberufler. Denken Sie an Steuerlast oder Bürokratie", erklärte Westerwelle – eine Meinung, die wohl jeder von uns unterschreiben würde, ohne sich Anfeindungen ausgesetzt zu sehen. Daß er die eigentlichen Rahmenbedingungen (Verschleuderung von jährlich 140 Mrd. Euro deutschen Steuergeldes ans Ausland) nicht erwähnte, sei ihm zudem verziehen. Wer läuft schon gern Gefahr, in die "Nazi-Ecke" gestellt und somit faktisch ausgebürgert zu werden?

Andererseits äußerte sich Guido durchaus "national". Die Entführung eines Deutschen durch einen für seine Skrupellosigkeit bekannten US-Geheimdienst brachte Westerwelle überaus geschickt aufs Tapet. "Ich möchte, meine Damen und Herren, nicht wissen, wie groß das Geschrei gewesen wäre, wenn Gleiches US-Bürgern seitens des BND widerfahren wäre", startete er einen genialen Konter. Zeitweilig fühlte man sich an echt nationale Veranstaltungen erinnert, wie es sie bis in die Sechziger hinein übrigens auch in der FDP gegeben hat. Der damalige "Macher": Dr. Erich Mende. Westerwelle = Westermende? Schau’n mer mal! Der Transrapid war ein weiteres Thema, über das sich durchaus geteilter Meinung sein läßt. Fest steht allerdings, daß die Magnetbahn mittlerweile in der Volksrepublik China (mit allen Lizenz-Schikanen!) gebaut wird. "China hat mittlerweile einen Typ entwickelt, der unserem täuschend ähnlich ist. Ich umschreibe das noch höflich", meinte Westerwelle. Starker Beifall!
Wie erwähnt, bergen die soeben wiedergegebenen Gedanken durchaus nationalen Geist. Bewegt sich der Mann aber tatsächlich in den entsprechenden Gewässern?

"Wir sind die Partei von Ignatz Bubis!" Genauso zusammenhanglos, wie der Westerwellesche Ausspruch hier zitiert wird, mag er von manchem Teilnehmer auch empfunden worden sein. "… der leider viel zu früh gestorbene Vorsitzende des Zentralrats der Juden. Wir sind aber auch die Partei der Muslime in Deutschland, eine Partei der Toleranz!", heißt es in seiner Rede weiter. Das duldsame Zuschauen bei einem auch von seiner Partei vertretenen Szenario, an dessen Schluß nur das Ende des Deutschtums stehen kann – da müssen zumindest andersgeartete Auffassungen gestattet sein. Ebenso, wenn ein anderer FDP-Amtsträger erklärte, daß angesichts des deutschen Geburten-Defizits etwa vier Kinder pro Frau nötig seien. Stattdessen solle man doch den Weg des geringsten Widerstandes wählen, sprich, die Zuwanderung forcieren. Typisch eben für "Tatsachen-Menschen", wie sie unser großer Philosoph Friedrich Nietzsche schon im wirtschaftlich prosperierenden Kaiserreich erkannt hatte. Nur nichts aus eigener Kraft versuchen – es könnte Köpfchen, Ärmchen und Beinchen vermutlich überfordern – und wird das eigene Überleben letztlich kosten!

Um welche Rahmenbedingungen es Westerwelle und Co. eigentlich geht, verdanken wir einer weiteren journalistischen Nachfrage. An Merkel hätte er kein gutes Haar gelassen. Gäbe es auch Positives über die Kanzlerin zu berichten? Außenpolitisch betrachtet, ja, lautete Guidos Antwort, auf die jüngsten Besuche in den USA und in Israel anspielend. "Alls blievt bin ollen", lautet also das Fazit, wie es einst der mecklenburgische Volksmund geprägt hat.

Gut – der Beifall ob des Gesagten hielt sich in Grenzen. Andererseits waren die Fallschirme sämtlicher Teilnehmer penibel kontrolliert worden – Sprung ohne Gefahr möglich, Absturz (wie bei Jürgen M.) also unmöglich. Was wir damit meinen? Lest weiter, dann wißt ihr es!

Die FDP demonstrierte auf dem Rostocker Parteitag zumindest nach außen hin anheimelnde Einmütigkeit, was in der jüngeren BRD-Geschichte gewiß nicht immer so war. Erinnern Sie sich noch des "Falles" Jürgen W. Möllemann? "Mölli", der umtriebige Mann im Hintergrund der FDP und von Schalke 04? Der Sportsmann und Freund des PLO-Chefs Yassir Arafat? "Mölli", der nach offizieller Lesart aufgrund eines technischen Defektes mit dem Fallschirm abstürzte, nachdem er an den Grundfesten der Bundesrepublik Deutschland gerüttelt hatte?

Um dem Thema die entsprechende Brisanz (die es durchaus verdient) zu verleihen, sei uns gestattet, aus Berichten des Jahres 2002 zu zitieren. Zunächst folgt das für einen hysterischen Aufschrei sorgende, eigentlich weitgehend (aber eben nicht weitgehend genug) den Vorgaben der "Political Correctness" folgende Zitat aus Jürgen W. Möllemanns Mund.
"Die Zeiten, in denen man uns das Denken verbieten wollte, sind vorbei. Wir sind selbständig und mündig genug, um zu wissen, daß man bei der Bewertung der deutschen Geschichte kein Antisemit sein darf. Kein denkender Mensch kann das sein. Aber wenn man wie Friedman als angeblicher Sachwalter des Zentralrats der Juden Kritiker der Politik Israels niedermacht, wer wie er mit Gehässigkeiten um sich wirft, mit unverschämten Unterstellungen arbeitet – Antisemitismus und so weiter -, der schürt Unmut gegen die Zielgruppe, die zu vertreten er vorgibt."
Stern Nr. 22/2002, Seite 48, Schlagzeile: "Die Liberalen und der ,braune Dreck"

"Herr Möllemann bleibt bei seiner Einstellung, daß die Zeiten vorbei sind, wo das Denken verboten wird. Damit verunglimpft er die ganze jüdische Gemeinschaft, und ich meine, daß ist eine Äußerung, die uns zutiefst empört hat und die wir ganz entschieden zurückweisen. Und deswegen muß sich Herr Möllemann gefallen lassen, daß er absolut als Antisemit bezeichnet werden kann. … Ich erwarte, daß die FDP sich bei Herrn Friedman entschuldigt."

Charlotte Knobloch, stellv. Vorsitzende des Zentralrats, am 23. Mai 2002 im n-tv-Gespräch mit Moderatorin Sandra Maischberger

"Die Wellen schlagen wieder einmal hoch. Man muß nicht mit den Herren Möllemann oder Karsli sympathisieren, um zu erkennen: Was hier abläuft, ist Heuchelei pur.

Als Indiz: Herr Friedman hatte im Februar in der Frankfurter Rundschau einen Andersdenkenden als Nazi beschimpft. Dessen Beleidigungsklage wurde aber abgewiesen. Herr Friedman darf also einen Bürger unseres Staates ungestraft und ungerügt als Nazi beschimpfen. Doch wehe, Herr Friedman wird kritisiert. Er ist ein politisches Naturschutzgebiet. Die Politik und die ganze Medienmacht stellen sich schützend vor ihn, und jede Kritik an seiner Person ist Beweis für verabscheuungswürdigen Antisemitismus.

Sollte Herr Möllemann Herrn Friedman wirklich vorgeworfen haben, dieser sei mit seiner intoleranten und gehässigen Art mitverantwortlich für den Zulauf auf Seiten der Antisemiten, dann hat Herr Möllemann nur ausgesprochen, was jeder bestätigen kann, der sich mit den Bürgern auf der Straße unterhält.

Haben die Herren Genscher, Westerwelle, Rexrodt, Lambsdorff und andere ein gestörtes Verhältnis zur Meinungsfreiheit in einer Demokratie?
Solange Herr Friedman sich nicht zu den Vorgängen in Palästina äußert und zum Verhalten Israels – und zwar mit dem gleichen Engagement, das er gegen Gewalt in Deutschland aufbringt -, solange muß Herrn Möllemanns Aussage als zulässige Kritik doch möglich sein. Auch unter dem Gesichtspunkt des politischen Naturschutzes."
HANDELSBLATT vom 23. Mai 2002

Nur wenige Wochen nach dem Beginn der Hatz auf Jürgen W. Möllemann führte die FDP Mecklenburg und Pommern im Technologie-Zentrum in der Friedrich-Barnewitz-Straße in Warnemünde eine Wahlkampf-Veranstaltung durch. Gast: Jürgen W. Möllemann, der zum nicht einmal ungeschickt gewählten Thema "Leistungssport damals (DDR) und heute" sprach. Landeschef Hans Kreher eröffnete die Veranstaltung sinngemäß mit folgenden Worten: Er begrüße die Anwesenheit Möllemanns. Im Vorfeld der Veranstaltung habe es zwar an Warnungen nicht gefehlt. Doch lasse man sich von niemandem vorschreiben, wer einzuladen sei und wer nicht, was in eindeutiger Anspielung auf Friedman und Co. geschah. Kreher umbrauste Beifall, wie er während Westerwelles Rede auf dem jetzigen Parteitag kaum einmal zu hören war.

Und jetzt, hier und heute? Offenbar hat sich Hans Kreher den "Rahmenbedingungen" angepaßt, womit sich der Kreis schließt. "Hans im Glück"? Da kommt es auf die Betrachtungsweise an. Mit Friedrich Nietzsches Worten sei gesagt: "Menschlich, allzu menschlich eben!"
zurück | drucken Erstellt am Montag, 15. Mai 2006