"Ein bemerkenswert starker Führer"

Zur Kommunalwahl 2009 wird im Landkreis Uecker-Randow wahrscheinlich eine hierzulande noch unbekannte Kraft um die Wählergunst werben.

"Der Parteivorsitzende und jetzige Premier, Donald Tusk, ist trotz seines freundlichen verbindlichen Auftretens und manchem unschlüssigen Zaudern ein bemerkenswert starker Führer. (...) Der Führungsstil kann durchaus als autoritär bezeichnet werden. Die innerparteiliche Demokratie läßt zu wünschen übrig. Bei den Wahlen hat der Vorsitzende das letzte Wort bei der Besetzung der Wahllisten in den Wahlkreisen."

Die Passagen entstammen einer Kurzeinschätzung des Auslandsbüros Polen der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Erscheinungsdatum: 25. April 2008, Titel: "Zur Lage der Bürgerplattform (PO) in Polen".
Die PO (Platforma Obywatelska) ging aus der vorgezogenen Neuwahl in Polen am 21. Oktober 2007 mit 41,51 Prozent als mit Abstand stärkste Partei hervor, was sie zur Besetzung von 209 der insgesamt 460 Parlamentssitze berechtigte.

An sich wäre die Meldung nicht mehr als ein Achselzucken wert. Der eine oder andere "politisch korrekte" Zeitgenosse wird sich womöglich über das Wort "Führer" erregen. Doch Obacht! Keine Geringere als die hiesige CDU-Landtagsfraktion pflegt zur Partei des als "starker Führer" bezeichneten Tusk sehr regen Kontakt.

Jene CDU also, die nicht müde wird, das Wörtchen Demokratie in all seinen Variationen tagein, tagaus im Munde zu führen, wenn’s darum geht, die nationale Opposition als "undemokratisch", "autoritär", und/oder "menschenverachtend" zu diffamieren.

Mitte Mai trafen sich die Oberdemokraten um CDU-Fraktions-Führer, pardon, -Chef Dr. Jäger mit Vertretern der Bürgerplattform des "Sejmik Westpommern", um eine "neue Stufe der Zusammenarbeit" zu beschließen.
Mit der PO hat die CDU offenbar einen Partner gefunden, der dem altbekannten Spruch "Gleich und gleich gesellt sich gern" bestens entspricht. Beide verfolgen einen EU-freundlichen Kurs und stehen für die von Brüssel geforderte "Freizügigkeit" von Geldströmen und natürlich "Humankapital". Im Uecker-Randow-Kreis äußert sich dies in der Abwanderung vornehmlich junger deutscher Frauen und Familien, deren Plätze von Ausländern, vorwiegend Polen, eingenommen werden - Globalisierung als menschlicher Verschiebebahnhof.

Im Frühjahr waren in UER ungefähr und immerhin bereits 1.000 Polen gemeldet, was bei einer Gesamteinwohnerzahl von etwa 76.000 eine durchaus beträchtliche Größe (und auch Macht) darstellt. Am 27. Mai meldete u. a. die Tageszeitung "Rzeczpospolita" (Republik), daß sich in Löcknitz ein Kreis der (polnischen!) Regierungspartei Bürgerplattform gegründet habe. Ihrem Ortsvorsitzenden Jacek Stachyra gehe es um Hilfe für in UER lebende Landsleute bei "Alltagsproblemen". "Doch hinter der Hilfsbereitschaft steckt auch ein politisches Ziel. Und zwar der Start in den kommenden Kommunalwahlen. Vertreter des Kreises hoffen auf einen Platz im Gemeinderat", hieß es bei "Polskieradio" – wenn denn "Führer" Tusk Herrn Stachyras Kandidatur absegnen sollte.
NPD und parteiungebundene Kräfte werden jedenfalls auch im nächsten Jahr keine Gelegenheit ungenutzt lassen, um die ihnen von der Geschichte aufgetragene Rolle wahrzunehmen: letzter verbliebener Anwalt der Deutschen zu sein, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
zurück | drucken Erstellt am Freitag, 15. August 2008