Usedom - "Sylt" der Ostsee?

Ginge es ausschließlich nach dem Willen etablierter Lokalpolitiker, befände sich die Sonneninsel Usedom auf bestem Weg zur "Yuppi-Oase" inmitten des Hartz-IV-Landkreises Ostvorpommern. Die "Berliner Badewanne" erfährt nach den aktuellen Plänen eine anhaltende Umstrukturierung zu einem "Sylt" an der Ostsee. In naher Zukunft soll für eine zahlungskräftige Klientel auf der Insel Usedom einiges geboten werden: Insgesamt fünf Golfplätze sollen nach ihrer Fertigstellung für genügend Abwechslung sorgen. Marinas und Yacht-Häfen sollen sich zukünftig wie Perlen an einer Kette entlang des Achterwassers und des Inselstrandes aneinander reihen. Für entsprechenden Luxus bei der Unterkunft sei durch eine Vielzahl von Jugendstil-Villen in Promenadennähe gesorgt. Garniert und abgerundet jagt auf Usedom zur Sommerzeit ein "Exklusiv-Event" das nächste.

Arbeitsplätze, um (oder für) jeden Preis

Die Tourismusbranche ist DAS wirtschaftliche Standbein unserer pommerschen Heimat. Die Einheimischen indes profitieren vom Neubau gigantischer Bettenburgen und Ferienanlagen kaum. Lapidar heiß es in der Chef-Etage manch großspuriger Hoteliers großer Luxusketten: "Die billigen Arbeitsplätze teilen die Usedomer unter sich auf!" Anderenorts, wo dieselbe Hotelgruppe andere Objekte unterhält, ist ein lebenssicherndes Einkommen für die Arbeitnehmer dagegen möglich.

Diejenigen "Glücklichen", die ihren Unterhalt in Hotelanlagen, Gaststuben oder Feriendomizilen als Angestellte verdienen, sind im Bundesvergleich als Geringverdiener einzustufen. So liegt das Bruttomonatseinkommen der Mecklenburger und Pommern im Gastronomiegewerbe beispielweise für Köche bei 19.028 Euro Brutto im Jahr. Ein Kellner verdient jährlich im Schnitt mit 15.034 Euro jährlich noch weniger. Im Ländervergleich erhält ein Auszubildender an der Küste im dritten Lehrjahr monatlich im Schnitt 480 Euro Brutto – in Bayern sind es 731 Euro.

Es ist ebenso kein Geheimnis, daß das Lohnniveau im Bundesland von West nach Ost weiter abnimmt. Der Durchschnittsverdienst und demnach größtenteils jener für Beschäftigte im Tourismussektor lag 2006 im Landkreis Ostvorpommern bei 13.421 Euro Brutto. Daher überlegt sich gerade die Jugend, bei 800 Euro Netto und saisonal begrenztem Arbeitsvertrag, ihrer Heimat den Rücken zu kehren.

Usedom bald ohne Usedomer

2007 wurden im Landkreis Ostvorpommern in 473 Beherbergungsstätten 29.864 Gästebetten angeboten – deutlich mehr als im Jahr 1997, als 314 Beherbergungsstätten genau 18.093 Betten bereitstellten. Das Gros der Unterkünfte befindet sich natürlich auf der Insel Usedom, wo die angebotenen Betten 2007 mit 44 Prozent für insgesamt über vier Millionen Gäste ausgelastet waren. Das Potential ist aus Sicht tonangebender Touristiker jedoch bei weitem nicht ausgeschöpft.

Demgegenüber bemühen sich beispielsweise in der Gemeinde Heringsdorf um eine Unterkunft, die sich in Trägerschaft einer Wohnungsgesellschaft befindet, über 300 Bewerber. Angesichts dieser prekären Wohnsituation werden jene Menschen übergangen, die in der Region nicht nur eine Urlaubs-Destination sehen, sondern diese als ihre Heimat begreifen. Sie fragen sich deshalb zu Recht, ob es den etablierten Lokalpolitikern nur darum geht, daß zahlungskräftige Gäste auf die Insel zu kommen und im Gegenzug die Insulaner von der Insel zu verdrängen.
zurück | drucken Erstellt am Dienstag, 02. Dezember 2008