Eine Kreisstadt ohne Hauptpostamt
Viele Bürger Anklams und der umliegenden Gemeinden haben vielleicht noch gar nicht mitbekommen, daß die sogenannte Deutsche Post AG in wenigen Monaten das Hauptpostamt der Hansestadt im Lilienthal-Center schließen möchte.
Als Grund gab ein Sprecher des Unternehmens an, es gäbe nicht mehr genügend Kunden, die hochwertige Leistungen in Anspruch nähmen. „Wegen des Internets und der Geldautomaten seien die Bargeldgeschäfte in der Niederlassung zurückgegangen.“ Gesucht wird jetzt ein Einzelhändler, der nebenbei noch eine Postagentur betreiben soll. Nebenbei! Man denke einmal an das Gedränge, das besonders kurz vor der Mittagspause, aber auch zu anderen Tageszeiten in der Filiale herrscht, wenn die Kunden in langen Schlangen darauf warten, ihre Pakete abgeben zu können. Oder an die Massen von Brief-Sendungen, die manche Geschäftskunden abgeben. Wie soll ein Einzelhändler das schaffen - nebenbei? Was soll aus der Postfachanlage werden? Und will man die Postbankkontoinhaber wirklich ausschließlich dem nicht selten defekten Geldautomaten anvertrauen?
Jetzt rächt es sich, daß die Kohl-Regierung im Jahre 1995 die Post privatisiert hat. Aus einer Institution, die dem Wohl des Volkes zu dienen hatte, wurde durch diese krasse Fehlentscheidung ein x-beliebiger Profitbetrieb, der ohne Rücksicht auf das Allgemeinwohl möglichst viel Geld machen will. Das hat vielfältige Auswirkungen. Wie der „Spiegel“ in seiner Ausgabe Nr.21/2005 berichtete, waren schon im Mai dieses Jahres rund 600 Zustellbezirke „outgesourct“ worden. Möglichst billige Subunternehmen spielen Postbote. „Manchmal“, so schrieb das Nachrichtenmagazin, „würden Briefkasten vom Pizzaservice geleert.“ In Offenbach übergab man den Posttransport sogar einem polnischen Dienstleister. Da können natürlich leichte Sprachprobleme auftreten . Nicht jeder der neuen Günstigzusteller vermag mit deutschen Anschriften oder lateinischen Schriftzeichen etwas anzufangen. Kein Wunder, daß Beschwerden wegen verschwundener Postsendungen sich häufen .
Dazu kommt, daß an allen Ecken und Enden Briefkästen abmontiert wurden, wie letztes Jahr auch in Anklam. Und jetzt, nach den kleinen Niederlassungen in den Dörfern‚ werden auch in den Kleinstädten die Postämter liquidiert. Da Gleiches für Wolgast vorgesehen ist, soll aus Ostvorpommern wohl eine postfreie Zone werden, als kleiner Vorgriff auf die schon längst beschlossene Verödung der Region, inklusive Überflutung der Polder.
Laut „Nordkurier“ vom 24.3.2006 verdiente Postbank-Vorstandschef Wulff von Schimmelmann im Jahre 2005 „lediglich“ um 1,7 Millionen Euro in seinem Job, während der Kollege von der Deutschen Bank, der bekannte Herr Ackermann, etwa 11,9 Millionen einsackte. Das läßt den Herrn von der Post wohl nicht ruhig schlafen. Ein echter Fall von Armutslohn. So sehr wir dieses Elend auch bedauern mögen, auf unsere Kosten sollte die Sanierung der Postbank und ihres Spitzenpersonals nicht gehen.
Die Stadtpolitik muß dringend etwas unternehmen. Eine Kreisstadt ohne Hauptpostamt ist eine Unmöglichkeit, und das Lilienthal-Center wird sich nach einem solchen Verlust in Richtung Totenburg entwickeln. Da vergeht einem die Feierlaune bei den vielen „Stadtevents“!
Quelle: SNBP